Das Münchner Kälteschutzprogramm 2016/2017 bot rund 3.000 Personen einen Schlafplatz.

Nach sechs Monaten ist das Kälteschutzprogramm 2016/17 der Landeshauptstadt München für diese Kälteperiode zu Ende gegangen. In 181 Nächten haben 3.111 volljährige Personen genau 60.346 Nächte in Haus 12 auf dem Gelände der ehemaligen Bayern-Kaserne verbracht. Rund die Hälfte der Personen kam aus Rumänien und Bulgarien, fünf Prozent aus Italien und 11 Prozent waren deutsche Staatsangehörige. Gut die Hälfte der Personen übernachten höchstens neun Nächte am Stück; ein Viertel allerdings auch länger als einen Monat; Spitzenbelegung war in einigen Februarnächten mit rund 510 Personen. Maximal könnten im Kälteschutz, der heuer zum fünften Mal stattfand, rund 850 Menschen untergebracht werden.

Andreea Untaru, die mit ihrem Team in der Beratungsstelle „Schiller 25“ die Einweisungen vornimmt, sagte bei einer Pressekonferenz, hinter jeder Ziffer stehe ein Schicksal: „Das sind 3.111 Lebensgeschichten, die zum Teil sehr dramatisch sind, und mit denen wir Sozialpädagogen jeden Tag zu tun haben.“ Die meisten Beratungsgespräche kreisten um das Thema Arbeit. Manchmal gebe es aber aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und Ausbildung kaum Perspektiven für die Arbeitsmigranten; dann sei es auch angezeigt, zur Rückkehr ins Heimatland zu raten.

Für das Netzwerk Wohnungslosenhilfe lobte Schirmherrin Petra Reiter die Arbeit im Kälteschutz: „Wer dort Hilfe sucht, bekommt auch Hilfe; professioneller geht’s nicht.“ Reiter plädierte jedoch dafür, dass der Einweisungsschein zugleich auch eine Freifahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ermöglichen sollte. „Die Leute sollten auf legalem Weg hier her kommen können und nicht als Schwarzfahrer kriminalisiert werden.“

Gordon Bürk, Geschäftsführer des Evangelischen Hilfswerks, das den Kälteschutz im Auftrag der Stadt betreibt, zeigte demonstrativ das kleine Päckchen mit Decke, Laken und ein paar Blatt Klopapier, das es im Kälteschutz gibt. „Das hier ist keine Luxusherberge; hier geht es ums nackte Überleben.“ Das Münchner Angebot sei in der Bundesrepublik ohne Beispiel: „Es gibt kein vergleichbares System“. Zugleich wies Bürk darauf hin, dass es in den Herkunftsländern anhaltende wirtschaftliche und politische Probleme gibt; Armutsmigranten werde es also sicher noch länger geben. „Die Menschen gehen dorthin, wo sie sich Arbeit und Hilfe erhoffen.“

Rudolf Stummvoll, Leiter des städtischen Amtes für Wohnen und Migration, bezeichnete den Kälteschutz als ein niedrigschwelliges, humanitäres Angebot. Die Idee sei nach fünf Jahren „aus München nicht mehr wegzudenken“. Politischer Wille des Stadtrates sei es, dass in der bayerischen Landeshauptstadt niemand auf der Straße erfrieren soll; dies werde durch den Kälteschutz gewährleistet – auch wenn die Menschen keinen Rechtsanspruch auf Unterbringung haben. „Die waren einfach da – und wir mussten uns was Neues ausdenken, um das Problem zu lösen.“ Hinsichtlich der Zukunft des Hauses auf dem Gelände der Bayern-Kaserne sei er „grundgelassen“: Bis zum Jahr 2021/22 sei die Unterbringung hier gesichert – „und auch für danach gibt es einen Weg“.

Seit dem Ende der Null-Grad-Grenze vor drei Jahren ist die Zahl der volljährigen Kälteschutzbesucher mit rund 3.000 Personen nahezu gleich geblieben. Im Schnitt haben in dieser Zeit durchschnittlich pro Nacht gut 300 Leute im Kälteschutz geschlafen. Die Landeshauptstadt finanziert das Programm mit rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr.

Klaus Honigschnabel

Foto: Oliver Bodmer