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Eine Fahrt mit der Münchner Straßenambulanz

 

Als Petra Reiter, die Frau des Münchner Oberbürgermeisters und Schirmherrin des Netzwerkes, in der Arztpraxis für wohnungslose Menschen im Haus an der Pilgersheimer Straße des Katholischen Männerfürsorgevereins München e. V. (KMFV) eintrifft, ist dort wieder Ruhe eingekehrt. Vormittags hatte hier noch die Sprechstunde stattgefunden und das Wartezimmer war mit Patienten gefüllt. Dr. Thomas Beutner, Arzt in der Arztpraxis, und Krankenpfleger Frater Karl vom Krankenhaus Barmherzige Brüder treffen gerade die Vorbereitung für den abendlichen Einsatz der Münchner Straßenambulanz. Beide freuen sich sehr über den Besuch von Petra Reiter und ihr Interesse, sie einen Abend in der Straßenambulanz zu begleiten und so mehr über die medizinische Versorgung von obdach- und wohnungslosen Menschen in München zu erfahren.

 

Zunächst führt Dr. Beutner Petra Reiter durch die Räumlichkeiten der Praxis. Dabei schildert er seine Arbeit und die damit verbundenen Herausforderungen. In der Arztpraxis werden wohnungslose Menschen allgemeinmedizinisch ohne Zugangsvoraussetzungen behandelt. Auch jene Patienten, die keine Krankenversicherung haben werden medizinisch versorgt. Hierzu gehören neben der hausärztlichen Untersuchung und Behandlung auch eine pflegerische Betreuung sowie eine psychosomatische und suchtmedizinische Grundversorgung. Zudem erfolgt eine Vermittlung von sozialen Diensten, weiterführender fachärztlicher Behandlung und stationärer Krankenhausbehandlung. Besonders wichtig sei dabei die Vertrauensbildung „Bei Menschen, die tief enttäuscht sind von allem und wenig oder gar keine Hoffnung mehr haben, ist dies keine leichte Aufgabe. Die beste Diagnostik und die besten therapeutischen Möglichkeiten nutzen nichts, wenn ich nicht das Vertrauen meines Patienten habe. Ohne das Vertrauen wird er die angebotene Hilfe nicht annehmen“, erklärt Dr. Beutner.

 

Als Dr. Beutner auf die technische Ausstattung zu sprechen kommt, zeigt er sich zufrieden. Die Geräte seien zwar nicht mehr die Neuesten, aber durchaus solide und zweckdienlich. Ein großes Herzensanliegen habe er jedoch: die Anschaffung eines Ultraschallgerätes. Dabei handle es sich um keinen Luxus, sondern um ein Standardinstrument, das heutzutage in fast jeder Arztpraxis vorzufinden ist. Es biete viele Möglichkeiten der Diagnostik, die den Patienten unmittelbar zugutekommen. Etwa lasse sich damit abklären, ob es sich unbedenkliche Bauchschmerzen oder um eine lebensbedrohliche Einlagerung von freier Flüssigkeit im Bauchraum handelt. Hierdurch könne vermieden werden, dass die Patienten zur Abklärung ins Krankenhaus geschickt werden und mit ihren Beschwerden vielen Stunden in der Notaufnahme warten müssen. Spontan sagt Petra Reiter hier ihre Hilfe zu. Die Stiftung „Wir helfen München“, bei der sie Vorstandsmitglied ist, könne hier eventuell einen Beitrag zur Finanzierung leisten. Insgesamt zeigt sich Petra Reiter positiv überrascht von der Arztpraxis. „Es ist beeindruckend, wie professionell hier gearbeitet wird. Ich hatte mir die Arztpraxis viel kleiner vorgestellt.“

 

In der Zwischenzeit hat Frater Karl die Straßenambulanz für den abendlichen Einsatz vorbereitet. Es ist Zeit aufzubrechen. Beim Verlassen der Arztpraxis ist bereits klar, dass es eine kalte Nacht werden wird. Vor der Abfahrt zeigt Frater Karl Petra Reiter noch die Ausstattung der Straßenambulanz. Von der integrierten Liege und Standheizung über den Kühlschrank für kühlungsbedürftige Medikamente bis hin zur im Sommer unverzichtbaren Klimaanlage, alles basiert auf den Erfahrungswerten der letzten 20 Jahre, so Frater Karl. Seit 1997 ist die „rollende“ Arztpraxis für obdachlose Menschen, im Münchner Stadtgebiet unterwegs. Betreiber sind der KMFV und die Bayrische Ordensprovinz der Barmherzigen Brüder. An drei Abenden in der Woche fährt die Straßenambulanz zu Treffpunkten und Schlafstellen obdachloser Menschen und bietet dort ihre Hilfe bei gesundheitlichen Problemen an.

 

Erste Station des heutigen Abends ist der Roßmarkt. Dort haben sich bereits einige Obdachlose eingefunden, um die Essensspenden der Möwe Jonathan, die auch vor Ort ist, entgegenzunehmen. Bereits kurz nach dem Eintreffen steigt ein Patient in die Straßenambulanz ein, um sich behandeln zu lassen. Auch Petra Reiter ist bei der Behandlung dabei. Später nimmt noch ein weiterer Patient, der über Zahnschmerzen klagt, die medizinische Hilfe in Anspruch, bevor die Straßenambulanz zu den nächsten Stationen am Isartor und an der Hauptfeuerwache aufbricht. Insgesamt nutzen heute nur wenige Patienten das Angebot der Straßenambulanz. „Die Zahl der Patienten variiert von Tag zu Tag. Eine Prognose lässt sich nicht abgeben“, resümiert Dr. Beutner.

 

Kurz vor Ende des Einsatzes bedankt sich ein Passant spontan für das große Engagement der Mitarbeitenden der Straßenambulanz. „Dieses Angebot ist so wichtig. Vielen Dank für Ihren Einsatz.“ Dem kann sich Petra Reiter nur anschließen. Für sie war der Abend sehr aufschluss- und erkenntnisreich. „Es ist gut zu wissen, dass es die Straßenambulanz und die Arztpraxis für wohnungslose Menschen in München gibt. Hier werden Menschen medizinisch versorgt und betreut, die anderweitig im Gesundheitssystem verloren gehen würden. Ich werde die heutigen Erfahrungen mitnehmen und mit anderen teilen.“  Solange Sie die Gelegenheit hat, möchte sie in München etwas bewegen. Dabei ist ihr das Ehrenamt besonders wichtig. Durch die Schirmherrschaft könne sie darüber hinaus einen Beitrag dazu leisten, den Ärmsten der Armen Gehör in der Gesellschaft zu verschaffen.   

 

Ralf Horschmann/Foto: Erol Gurian