Wie hilft man jemandem, der nicht weiß, dass er Hilfe braucht?
Seit 25 Jahren begleitet der Fachdienst „Courage“ psychisch erkrankte Frauen in München. Die Mitarbeiterinnen helfen beim Erhalt der Wohnung, gehen mit zu Behörden, unterstützen bei Angstzuständen - und manchmal bringen sie auch nur ein bisschen Freude ins Leben der Frauen.
Der Bericht zur Lebenslage von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in München hat es gerade wieder gezeigt: Es gibt viel mehr Betroffene, als man denkt - und sie haben es richtig schwer was Arbeiten, soziale Teilhabe und vor allem Wohnen betrifft. Gleichzeitig leiden wohnungs- und obdachlose Menschen überdurchschnittlich oft unter psychischen Erkrankungen.
Der SkF hat bereits vor 25 Jahren einen Fachdienst mit dem schönen Namen „Courage“ gegründet, der nun Jubiläum feiert. Fünf Mitarbeiterinnen betreuen in der Sonnenstraße 25 Frauen, die alleine in einer eigenen Wohnung leben, psychisch erkrankt sind oder sich in einer psychosozialen Krise befinden. Die Klientinnen haben wöchentliche Termine, es geht dann etwa um die Einsicht in den eigenen Gesundheitszustand oder darum eine neue Lebensperspektive zu entwickeln. Die Sozialpädagoginnen begleiten zu Behörden und Ärzt*innen, wo die Frauen oft anecken, und unterstützen bei Krisen. Gemeinsame Ausflüge und Aktionen geben Stabilität und Freude im Alltag.
Beim Kochen beispielsweise erfahren die Frauen nicht nur, wie gewinnbringend Gemeinschaft ist, sie sollen auch lernen sich selbst zu versorgen. „Kaum jemand sagt: Ich koch jetzt mal für mich allein auf. Wenn man eine psychische Erkrankung hat, eine Depression etwa, ist das noch schwieriger. Deshalb üben wir das spielerisch, danach wird gemeinsam gegessen, das ist immer das Highlight für die Frauen“, erzählt Courage-Leiterin Silvia Nietzold-Frede. „Courage bedeutet mir sehr viel: Hilfe, viel Spaß, mit Freunden zusammen sein, nicht im Regen stehen bei Schwierigkeiten, Ansprechpartnerinnen haben, eine gewisse Sicherheit“, sagt eine ihrer Klientinnen.
In den Anfangsjahren kümmerte man sich bei Courage hauptsächlich um Frauen, die auf der Straße leben. Inzwischen setzen die Mitarbeiterinnen früher an: Ziel ist es, die Lebenssituation zu verbessern und ein tragfähiges soziales Netz aufzubauen, bevor die Klientinnen ihre Wohnung verlieren. Denn das beste Mittel gegen Wohnungslosigkeit ist noch immer der Erhalt der Wohnung. Das ist nicht immer leicht, einigen der Frauen fehlt die Einsicht, dass sie krank sind, und viele sind sehr einsam. „Du bist die oft die einzige Bezugsperson, einziger beständiger Kontakt für eine Frau, die auf deine Unterstützung angewiesen ist“, erzählt eine Mitarbeiterin.
Manchmal erleben die Sozialpädagoginnen aber auch Erfolge: Etwa, wenn sie mit Klientinnen, die sich alleine nicht mehr versorgen können, gemeinsam eine neue Wohnform finden, wo sie gut betreut werden. „Das machen wir ohne Druck, mit viel anschauen und ausprobieren“, erzählt Silvia Nietzold-Frede. Oder wenn es gelingt, junge Frauen so zu stabilisieren, dass sie doch noch ein selbstständiges Leben führen können. Ganz oft heißt Erfolg bei Courage aber auch einfach nur: den Status Quo – und damit eben auch das eigene Zuhause - behalten. Das, sagt Silvia Nietzold-Frede, sei für viele Frauen eben das Wichtigste. Ihre Wohnung ist ihre Freiheit.
Zwei Wünsche hat die Courage-Leiterin noch zum Jubiläum: Eine bessere Versorgung im Landkreis – anders als in München gibt es hier wenig Anlaufstellen für Frauen. Und mehr passende Wohnformen für die Klientinnen, die sich, gerade wenn sie älter sind, nicht mehr allein versorgen können.